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Nachruf
05.12.2022
Gedenkfeier Prof. Dr. med. Dr. phil. Ambros Uchtenhagen 29. Oktober 2022

Ambros Uchtenhagen prägte die schweizerische Psychiatrie über viele Jahre mit Pionierleistungen in den Bereichen Sozial­psychiatrie und Abhängigkeitserkrankungen. Er genoss weit über die Schweiz hinaus höchstes Ansehen als Arzt, Wissen­schafter und Berater zahlreicher gesundheitspolitischer Gre­mien.

Für meine Frau und mich wurde er zu einem guten Freund – eine Beziehung, die sich in den für Ambros sehr schweren Jah­ren vertiefte, als seine Frau Liliane unter einer fortschreitenden Erkrankung litt, der sie schliesslich erlag.

Ambros Uchtenhagens «Markenzeichen» war zeitlebens ein be­eindruckend weiter intellektueller Horizont, verbunden mit per­sönlicher Zurückhaltung, ja Bescheidenheit. Das noch vor sei­nem Einstieg in die medizinische, in die psychiatrische Welt in Zürich abgeschlossene Philosophiestudium und seine Disserta­tion bei Hans Barth über Machttheorien von Platon bis Machia­velli mögen hier bleibende Akzente gesetzt haben.

von
Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (FMH)
​Präsient IGSP
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich,
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Privatklinik Hohenegg, Meilen

Er war ein engagierter Denker und Bürger, nachdenklich, neu­gierig und gesprächsbereit. Er liebte, ja er suchte scharfsinnige Debatten ohne überflüssige Floskeln, sofern es um die Sache ging und nicht um Polemik. Er konnte und wollte pointiert sein: Hatte er sich eine Überzeugung gebildet, vertrat er sie klar und selbstbewusst. Drei Aspekte sollen veranschaulichen, was das konkret bedeutete:

(1) Seine Wissenschaftsorientierung zeigte sich in Fragen wie «Woher weisst Du, wie begründest Du, was Du zu wissen glaubst?»

(2) Zugleich war und blieb er wissenschaftskritisch, im besten Sinne skeptischalso: «Wie sicher bist Du, dass das stimmt, was Du denkst? Könnte es nicht auch anders sein?»

(3) Was darüber hinaus viele seiner Weggefährten – Thomas Zeltner hat es erwähnt – tief beeindruckte, war sein überzeugter Humanismus: «Cui bono? Was nützt es der Patientin, dem Pati­enten?»

Eine konsequente Personzentriertheit liess Ambros Uchtenha­gen sein Fach, die Psychiatrie, immer auch in seine gesell­schaftlichen, kulturellen und politischen Kontexte stellen. Diese Grundhaltung spiegelte sich in der Gründung der «Interessen­gemeinschaft für Sozialpsychiatrie Zürich», der IGSP, wider, die er über Jahrzehnte präsidierte. Sie bietet seit 1971 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen angemessene Lebens­möglichkeiten an. Das Fest zu ihrem 50-Jahr-Jubiläum wird al­len Anwesenden, darunter Ambros Uchtenhagen, in schöner Erinnerung bleiben.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Ambros Uchtenhagen

Dass er nicht nur die medizinische, sondern auch die – oft un­terschätzte – kulturwissenschaftliche Dimension der Psychiatrie anerkannte und förderte, davon zeugen nicht zuletzt seine eige­nen Gemälde, die er allerdings – wie viele der hier Anwesenden wissen – erst in den letzten Jahren der Öffentlichkeit in Galerien des In- und Auslands präsentierte.

Das Schweizer Gesundheitswesen und speziell die Schweizer Psychiatrie verlieren einen ideenreichen, seine Ziele engagiert und nachhaltig vertretenden Protagonisten. Für viele von uns, auch für mich, ist es der persönliche Verlust eines Wegbeglei­ters und Förderers. Anders, vor allem weitaus näher trifft der Verlust natürlich die Familie, der ich mein tiefes Mitgefühl aus­sprechen möchte.

Wir werden die Erinnerung an Ambros Uchtenhagen, diesen Menschenkenner, der ein Menschenfreund war, bewahren – und sein Werk fortsetzen.

Paul Hoff

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